Bindungstrauma verstehen


Fragst Du Dich, warum Du immer wieder Stress in Beziehungen hast? Dann ist es interessant, den persönlichen Bindungstil anzuschauen, den in jedem von uns seit frühester Kindheit angelegt ist.

Mai 8, 2023 - Minuten Lesezeit

Bindungstrauma verstehen

Bindungstrauma verstehen: Wie Bindungsverletzungen in der Kindheit unsere Bindungsfähigkeit beeinflussen

Es mir ein Anliegen, komplizierte Konzepte behutsam und verständlich zu erklären, besonders wenn es um Themen geht, die unsere Bindungsfähigkeit beeinträchtigen können.

In der Traumaforschung gibt es zwei wichtige Begriffe, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen: das Bindungstrauma und das Entwicklungstrauma.

Im Fokus dieses Artikels steht das Bindungstrauma, das eng mit den Bindungsverletzungen in unserer Kindheit verknüpft ist.

Bindungsverletzungen treten auf, wenn traumatische Erlebnisse die Bindung zu einer Bezugsperson beeinflussen und langfristig unsere Fähigkeit, enge und vertrauensvolle Beziehungen einzugehen, beeinträchtigen. Zu den möglichen Auslösern gehören der Verlust eines Elternteils, traumatisierende Erfahrungen mit gewalttätigen Bezugspersonen oder eine lebensbedrohliche Geburt.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es nicht zwangsläufig zu einem Bindungstrauma kommen muss.
Wenn wir nach solchen Erlebnissen liebevolle Zuwendung und Halt von anderen Bezugspersonen erfahren, kann das Kind aufgefangen werden.

Bindungsverletzungen in der Kindheit: Auswirkungen auf die Bindungsfähigkeit

Bindungsverletzungen in der Kindheit können Auswirkungen auf unsere Bindungsfähigkeit haben. Unsere frühen Bindungserfahrungen prägen, wie wir uns in Beziehungen verhalten und wie wir uns anderen Menschen öffnen. 

Wenn diese Bindungserfahrungen traumatisierend sind, können sie das Vertrauen in andere Menschen und in uns selbst erschüttern. Von einem Bindungstrauma sprechen wir, wenn sie eindeutig zur Folge haben, dass sich daraus eine nachhaltige Beeinträchtigung der Bindungsfähigkeit ergibt. 

Auslöser für eine Bindungstraumatisierung

Eins haben alle Traumatisierungen gemeinsam: Die Situation ist zu stressreich, dass sie verarbeitet werden kann. Folgende Beispiele können zu einem Bindungstrauma führen.

Verlust eines Elternteils

Der Verlust eines Elternteils, sei es durch Trennung, Scheidung oder Tod, kann zu einer Bindungsverletzung führen. Kinder können sich verlassen und unsicher fühlen, wenn ein geliebter Elternteil nicht mehr da ist. Die Angst vor weiteren Verlusten kann unser Verhalten in späteren Beziehungen beeinflussen und zu emotionaler Distanz oder Vermeidung führen.

Traumatisierung durch eine gewalttätige Bezugsperson

Wenn eine enge Bezugsperson gewalttätig ist und traumatisierende Erfahrungen verursacht, kann dies zu massiven Bindungsverletzungen führen. Kinder können lernen, dass Nähe und Sicherheit mit Gewalt und Schmerz verbunden sind, und daher in späteren Beziehungen Schwierigkeiten haben, sich emotional zu öffnen oder anderen Menschen zu vertrauen.

Lebensbedrohliche Geburt

Eine lebensbedrohliche Geburt kann ebenfalls eine traumatische Bindungserfahrung sein. Wenn ein Kind in den ersten Lebensmomenten um sein Überleben kämpft, kann dies das Vertrauen in die Sicherheit und Geborgenheit der Welt beeinträchtigen. Solche Erfahrungen könnten dazu führen, dass Betroffene sich in späteren Beziehungen ängstlich und unsicher fühlen.

Menschen mit Bindungsverletzungen können oft mit emotionaler Instabilität kämpfen. Sie können Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen angemessen zu regulieren und erleben häufig innere Unruhe. Diese instabilen Emotionen können zu Angst, Depressionen und anderen psychischen Herausforderungen führen.

 Lies den gern auch den vertiefenden Artikel: Innere Unruhe durch Bindungstrauma

Emotionale Vernachlässigung

Ein weiterer Aspekt von Bindungsverletzungen ist die emotionale Vernachlässigung. Wenn eine Bezugsperson das Kind emotional nicht versorgen kann, weil sie zwar physisch anwesend, aber nicht wirklich "da ist". Dies könnte der Fall sein ,wenn die Bezugsperson psychisch krank ist oder unter Alkoholmissbrauch, Medikamenteneinnahme oder Depression leidet. Kinder brauchen liebevolle und aufmerksame Zuwendung, um eine sichere Bindung aufbauen zu können.

Wenn diese Zuwendung fehlt, kann dies zu emotionaler Distanz und Unsicherheit in Beziehungen führen.

Diese Erfahrungen müssen nicht zwangsläufig zu einem Bindungstrauma führen!

Es ist wichtig zu verstehen, dass eine belastende Bindungserfahrung nicht zwangsläufig zu einem Bindungstrauma führen muss. Die Unterstützung durch liebevolle und fürsorgliche Bezugspersonen kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, das Bindungstrauma zu verhindern oder zumindest zu mildern.

Wenn Kinder nach traumatischen Erfahrungen liebevolle Zuwendung und Halt erhalten, können sie lernen, dass sie auch in schwierigen Momenten Unterstützung finden können. Diese positive Erfahrung kann dazu beitragen, ihre Bindungsfähigkeit zu stärken und späteren Beziehungen mehr Vertrauen und Offenheit entgegenzubringen.

Folgen eines Bindungstraumas, die die Beziehungsfähigkeit beeinträchtigen

Ein Bindungstrauma in der Kindheit kann tiefgreifende Auswirkungen auf die Beziehungsfähigkeit im Erwachsenenalter haben und sich in verschiedenen Bindungsstilen widerspiegeln. Diese Folgen können das Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen maßgeblich beeinflussen und zu wiederkehrenden Herausforderungen führen.

  1. Probleme mit dem Vertrauen: Menschen, die ein Bindungstrauma erlebt haben, könnten Schwierigkeiten haben, anderen Menschen zu vertrauen. Die Erfahrung von Vertrauensbrüchen in der Kindheit kann zu Misstrauen und Unsicherheit in Beziehungen führen. Dies kann sich in einem ängstlich-vermeidenden Beziehungsstil widerspiegeln, bei dem Nähe vermieden wird, um sich vor Verletzungen zu schützen.
  2. Schwierigkeiten, sich emotional zu öffnen: Betroffene könnten Mühe haben, sich emotional anderen Menschen zu öffnen. Die Angst vor Verletzung oder Zurückweisung könnte dazu führen, dass sie sich zurückziehen oder Beziehungen auf Distanz halten. Dies könnte sich in einem ängstlich-ambivalenten Beziehungsstil zeigen, bei dem das Verlangen nach Nähe mit der Angst vor Ablehnung kämpft.
  3. Angst vor Nähe oder Abhängigkeit: Bindungstrauma kann zu einer Angst vor Nähe oder Abhängigkeit in Beziehungen führen. Betroffene könnten sich unwohl fühlen, wenn sie sich in einer engen Beziehung emotional öffnen müssen. Dies könnte sich im ängstlich-vermeidenden Beziehungsstil widerspiegeln, bei dem emotionaler Rückzug stattfindet, um Nähe zu vermeiden.
  4. Unsicherheit in Bezug auf Bedürfnisse und Grenzen: Menschen mit Bindungstrauma könnten Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und angemessen auszudrücken. Gleichzeitig könnten sie sich unsicher fühlen, wo ihre persönlichen Grenzen liegen und wie sie diese in Beziehungen setzen können. Dies könnte sich im desorganisierten Beziehungsstil zeigen, bei dem es zu widersprüchlichen Verhaltensweisen und Unsicherheit in Bezug auf die eigenen Bedürfnisse kommt.
  5. Kommunikationsschwierigkeiten: Die Erfahrungen aus der Kindheit können dazu führen, dass Betroffene Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle und Bedürfnisse verbal auszudrücken. Dies könnte zu Missverständnissen und Konflikten in Beziehungen führen. 
  6. Angst vor Verlassenwerden: Menschen mit Bindungstrauma könnten eine tief verwurzelte Angst haben, von anderen Menschen verlassen zu werden. Diese Angst könnte zu einem Bedürfnis nach ständiger Bestätigung und Nähe führen. Dies könnte sich im ängstlich-ambivalenten Beziehungsstil zeigen, bei dem es ein ständiges Schwanken zwischen dem Verlangen nach Nähe und der Angst vor Ablehnung gibt. 
  7. Angst vor Trennung und viel zu lange in toxischen Beziehungen bleiben: Betroffene könnten eine ausgeprägte Angst vor Trennung entwickeln und deshalb dazu neigen, auch in toxischen oder ungesunden Beziehungen zu verharren. Die Furcht vor dem Verlassenwerden könnte dazu führen, dass sie Kompromisse eingehen oder ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen, um die Beziehung aufrechtzuerhalten.

  8. Schwierigkeiten mit Intimität: Bindungstrauma kann dazu führen, dass Menschen Schwierigkeiten haben, echte Intimität in Beziehungen zuzulassen. Sie könnten sich emotional zurückhalten und es schwer finden, sich wirklich mit anderen Menschen zu verbinden. Dies kann zu einer emotionalen Distanz in Beziehungen führen und das Aufbauen von tiefen und erfüllenden Verbindungen erschweren.

Beziehungsstile: Wie sich aus einem Bindungstrauma verschiedene Muster entwickeln können

Ein Bindungstrauma in der Kindheit kann langfristig unsere Art und Weise beeinflussen, wie wir uns in Beziehungen verhalten und auf andere Menschen zugehen. Psychologische Studien haben gezeigt, dass sich aus solchen frühkindlichen Erfahrungen verschiedene Beziehungsstile ableiten lassen, die unsere zwischenmenschlichen Beziehungen maßgeblich prägen. Die Bindungstheorie von John Bowlby und die darauf aufbauende Forschung von Mary Ainsworth haben vier Hauptbeziehungsstile identifiziert:

Sicherer Beziehungsstil

Menschen mit einem sicheren Beziehungsstil haben in der Kindheit wahrscheinlich unterstützende und liebevolle Bezugspersonen erlebt. Diese Personen fühlen sich in engen Beziehungen meist sicher, vertrauen anderen Menschen leicht und können ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle gut ausdrücken. Sie können Konflikte angemessen bewältigen und sind in der Lage, sowohl Nähe als auch Unabhängigkeit in Beziehungen zu wahren.

Unsicher-vermeidender Beziehungsstil

Ein ängstlich-vermeidender Beziehungsstil entwickelt sich oft bei Menschen, die in ihrer Kindheit Bindungsverletzungen erlebt haben. Diese Personen neigen dazu, emotionale Nähe zu vermeiden und distanziert zu sein, um sich vor möglichen Enttäuschungen oder Verletzungen zu schützen. Sie könnten Schwierigkeiten haben, sich anderen Menschen zu öffnen und könnten in Konfliktsituationen dazu neigen, sich zurückzuziehen.

Unsicher-ambivalenter Beziehungsstil

Der ängstlich-ambivalente Beziehungsstil entsteht häufig bei Menschen, die in der Kindheit unsichere Bindungserfahrungen gemacht haben. Solche Personen sehnen sich nach Nähe und Liebe, sind aber gleichzeitig ängstlich und unsicher in Bezug auf die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit von Bezugspersonen. Sie könnten in Beziehungen dazu neigen, stark emotional zu reagieren und könnten sich oft Sorgen machen, dass ihre Bedürfnisse nicht ausreichend erfüllt werden.

Desorganisierter Beziehungsstil

Der desorganisierte Beziehungsstil ist eine Kombination aus ängstlich-vermeidendem und ängstlich-ambivalentem Verhalten. Menschen mit diesem Beziehungsstil haben möglicherweise traumatische Erfahrungen in ihrer Kindheit gemacht und konnten so kein Urvertrauen aufbauen. Diese Personen könnten in Beziehungen mit widersprüchlichem Verhalten reagieren und sich unvorhersehbar verhalten.

Sie könnten Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu regulieren und ihre Gefühle zu äußern. Leider ist eine häufige Folge, dass sie keine stabilen Beziehungen aufbauen können.


Wie nun damit umgehen? – Was Du nun tun kannst

Wie Du nun damit umgehen kannst

Wenn du das Gefühl hast, dass ein Bindungstrauma dein Leben beeinflusst und deine Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt, ist es wichtig zu wissen, dass du nicht allein damit bist.

 Hier sind einige Schritte, die dir dabei helfen können, dich mit deinem Bindungstrauma auseinanderzusetzen und positive Veränderungen in deinem Leben und deinen Beziehungen herbeizuführen:

  1. Informiere dich über Bindungstrauma: Eines der ersten Dinge, die du tun kannst, ist, dich über Bindungstrauma zu informieren. Verstehe, wie es entsteht, welche Auswirkungen es haben kann und wie es sich in deinen Beziehungen auswirken könnte. Dieses Verständnis kann dir dabei helfen, deine eigenen Verhaltensmuster besser zu erkennen und zu verstehen.
  2. Suche professionelle Unterstützung: Die Verarbeitung eines Bindungstraumas ist ein komplexer Prozess, der oft professionelle Unterstützung erfordert. Suche einen erfahrenen Psychotherapeuten oder eine Psychotherapeutin, der/die auf Traumatherapie und Beziehungsarbeit spezialisiert ist. Gemeinsam könnt ihr an den Wurzeln deines Traumas arbeiten und gesunde Bewältigungsmechanismen entwickeln.
  3. Praktiziere Achtsamkeit und Selbstfürsorge: Nimm dir Zeit für dich selbst und praktiziere Achtsamkeit. Achte auf deine Gefühle, Bedürfnisse und Grenzen und lerne, für dich selbst gut zu sorgen. Selbstfürsorge ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Heilung.
  4. Übe gesunde Beziehungsmuster: Arbeite daran, gesunde Beziehungsmuster zu entwickeln. Lerne, wie man Vertrauen aufbaut, sich emotional öffnet und angemessen kommuniziert. 
  5. Stärke dein soziales Netzwerk: Umgebe dich mit unterstützenden und liebevollen Menschen. Ein starkes soziales Netzwerk kann dir dabei helfen, das Gefühl von Verbundenheit und Sicherheit zu stärken.
  6. Geduld und Selbstakzeptanz: Heilung von einem Bindungstrauma erfordert Zeit und Geduld. Sei nachsichtig mit dir selbst und akzeptiere, dass der Weg nicht gradlinig ist. Du tust Dir den größten Gefallen, wenn Du Dich verstehst und Dir die Zuwendung gibst, die Dir damals gefehlt hat. 

Fazit und ein Hoffnungsschimmer

Ein Bindungstrauma, das in der Kindheit entsteht, kann sich in unsere Beziehungsfähigkeit und in verschiedenen Bindungsstilen widerspiegeln.

Die Auswirkungen reichen von Schwierigkeiten mit Vertrauen und Nähe bis hin zu Angst vor Trennung und dem Verharren in toxischen Beziehungen. Doch es ist wichtig zu wissen, dass wir nicht machtlos sind und es Wege gibt, mit einem Bindungstrauma umzugehen und Heilung zu finden.

Der erste Schritt besteht darin, sich über Bindungstrauma zu informieren und professionelle Unterstützung zu suchen. Ein erfahrener Psychotherapeut oder eine Psychotherapeutin kann uns dabei helfen, unser Trauma zu erkennen, es zu verarbeiten und gesunde Beziehungsmuster zu entwickeln. Achtsamkeit und Selbstfürsorge spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, um uns mit unseren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen auseinanderzusetzen.

Die Stärkung unseres sozialen Netzwerks und das Üben gesunder Beziehungsmuster tragen dazu bei, unsere Beziehungsfähigkeit zu verbessern. Der Prozess der Heilung erfordert Zeit, Geduld und Selbstakzeptanz. Es gibt keinen festen Zeitrahmen, doch mit der richtigen Unterstützung können wir positive Veränderungen herbeiführen und erfüllende Beziehungen aufbauen.

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Sonja Kleene - jameda.de

Wer bist Du denn?

Sonja Kleene

Wenn ich nicht gerade in meiner Praxis für Psychotherapie bin und tolle Prozesse mit meinen Herzensklienten durchlebe, schreibe ich hier oder auf den sozialen Medien und plaudere ein wenig aus dem Psycho-Nähkästchen.

Ausserdem liebe ich die frische Brise der Nordsee, gutes Essen, zu lachen, bis die Tränen kommen und heisse Musik. 

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