Hinter dem Vorhang des Stress: Das unsichtbare Selbstwertthema
Du kennst das wahrscheinlich: Der Stress wird lauter, die Anforderungen höher. Diese Tage, wo es sich anfühlt, als wäre da eine unsichtbare Hand, die ständig am Druckregler dreht.
Die To-Do-Liste wird länger, die Anspannung steigt. Wenn du an diesem Punkt stehst, wo die Grenzen des Machbaren immer weiter verschwimmen, kannst Du Dich auf eins verlassen: Du bist damit nicht allein.
Die Anforderungen wachsen und das Gefühl, immer mehr tun zu müssen, kennen viele meiner Patienten. In diesem Artikel soll es alber NICHT nicht um die glorreiche Heldenreise gehen, sondern um den Moment der Erkenntnis: Vielleicht kann immer mehr tun NICHT die Lösung sein. (auch wenn Dein Kopf Dir leise zuflüstert: dann arbeite einfach schnell alles ab...)
Lass mich Dir sagen: Stress wird nicht leiser, er verstärkt sich.
Also lass uns kurz innehalten und darüber nachdenken, bevor Du Dich wieder ins Getümmel stürzt. Bist du bereit?
Die Verbindung verstehen: Warum das Gefühl, immer mehr leisten zu müssen, Stress verstärkt
Das ständige Gefühl, mehr tun zu müssen, woher kommt das eigentlich?
Dieser Druck, der sich ständig aufbaut, hat oft tiefere Wurzeln – und genau hier kommt das unsichtbare Selbstwertthema ins Spiel. Wenn wir glauben, dass unser Wert davon abhängt, wie viel wir leisten oder für andere tun, geraten wir in einen Kreislauf des nie endenden "Mehr".
Dieser Teufelskreis verstärkt nicht nur den Stress, sondern beeinflusst auch, wie wir uns selbst wahrnehmen. Es ist wie ein unsichtbares Skript, das in unseren Empfindungen mitschwingt und den Druck weiter eskalieren lässt. Verstehen wir jedoch diese Verbindung, öffnet sich die Tür zu einer tieferen Selbstakzeptanz und einem bewussteren Umgang mit den eigenen Grenzen. Schauen wir gemeinsam hinter die Kulissen dieses Gefühls, immer mehr leisten zu müssen, und erkennen dabei die Schlüsselrolle, die das Selbstwertthema in diesem Zusammenhang spielt.
Die innere Dynamik: Selbstwert im Kontext des Ich-Modells
Um die Verbindung zwischen dem Gefühl, immer mehr leisten zu müssen, und dem Stress zu verstehen, werfen wir einen Blick auf das Ich-Modell.
Schauen wir uns das Ganze wie ein Team an – dein Selbstwert-Team. Es hat drei Mitglieder: "Bin-Ich", "Soll-Ich" und "Wunsch-Ich".
- Bin-Ich: Das ist dein aktuelles Selbst, so wie Du bist.
- Soll-Ich: Hier kommen die Erwartungen von außen, meist geformt von den Vorgaben der frühen Bezugspersonen wie der Eltern. Aber auch von der Gesellschaft, wie "man idealerweise zu sein hätte". In der Anteilearbeit in der Psychotherapie wird von inneren Eltern oder auch vom inneren Kritiker sogar inneren Richter gesprochen.
- Wunsch-Ich: Das ist ein Persönlichkeitsanteil in Dir, wie DU gern sein möchtest, unabhängig von den äußeren Vorgaben.
Menschen mit einem Selbstwertthema sind sehr auf das "Soll-Ich" fokussiert. Klar, viele wollen gern "perfekt" sein, den Erwartungen entsprechen, denn Anerkennung ist eins unserer Grundbedürfnisse. Das Gefühl, immer mehr tun zu müssen, um wertvoll zu sein, kommt oft von diesem Ungleichgewicht.
Das Bin-Ich schneidet dabei schlecht ab: es wird von Menschen mit einem Selbstwert-Thema zu kritisch bewertet, was das Ungleichgewicht verstärkt. Das Wunsch-Ich ist bei diesen Menschen oft unterrepräsentiert: Viele meiner Patienten haben große Mühe, EIGENE Wünsche zu benennen, weil sie sich zu sehr am Soll-Ich orientieren. Doch das sind nicht ihre eigenen Wünsche, sondern eher die der Eltern oder der Gesellschaft.
Die ständige Jagd nach dem "Soll-Ich" verstärkt das Gefühl, immer mehr leisten zu müssen, um wertvoll zu sein. Hier entsteht ein Teufelskreis aus überzogenen Erwartungen, Selbstkritik und dem Streben nach einer Idealvorstellung. Doch was wäre, wenn wir dieses Modell neu betrachten? Wenn wir das "Bin-Ich" liebevoll fördern, das "Soll-Ich" auf ein gesundes Maß reduzieren und das "Wunsch-Ich" stärken? Eine solche Verschiebung könnte nicht nur den inneren Druck mindern, sondern auch zu einem ausgewogeneren Umgang mit den eigenen Ressourcen und Grenzen führen. Lasst uns tiefer in die inneren Dynamiken eintauchen und erkunden, wie das Ich-Modell eine Brücke zu einem gesünderen Selbstwert schlagen kann.
Die innere Dynamik: Warum das "anspruchsvolle Soll-Ich" entsteht
Schauen wir uns an, warum das "Soll-Ich" manchmal so anspruchsvoll erscheint. Der wichtigste Faktor hierbei ist die Entwicklung in der Kindheit. Die Prägung durch das Leistungsprinzip, verstärkt durch Lob und Liebe, beeinflusst maßgeblich, wie wir uns wertvoll fühlen. Dieser Ich-Anteil wird dabei an Größe gewinnen, während das Wunsch-Ich verhältnismäßig klein bleibt oder nahezu verkümmert.
Das Bin-ich kriegt dauernd eins auf die Mütze, nie ist es richtig oder gut genug. Daraus entspringt dann das niedrige Selbstwertgefühl.
Die Prägung in der Kindheit bildet somit das Fundament, auf dem sich die weiteren Faktoren aufbauen.
Diese Faktoren können dazu führen, dass das "Soll-Ich" übermäßig anspruchsvoll wird. In der Folge setzen wir uns selbst unter Druck, um diesen Standards gerecht zu werden.
Aber was passiert, wenn wir die Quellen dieser hohen Erwartungen verstehen und die Messlatte neu kalibrieren? Das könnte ein erster Schritt sein, um den inneren Druck zu mindern und zu einem realistischeren "Soll-Ich" zu gelangen. Lass uns tiefer schauen und entdecken, wie wir die Wurzeln dieses anspruchsvollen "Soll-Ich" verstehen können.
Die Folgen des anspruchsvollen "Soll-Ich": Stress und Selbstwert im Fokus
Diese überhöhten Erwartungen des "Soll-Ich" wirken sich nicht nur auf unsere Ziele aus, sondern haben auch tiefe Auswirkungen auf unseren Stresslevel und das Selbstwertgefühl. Wenn wir ständig danach streben, unrealistische Standards zu erfüllen, geraten wir in einen Teufelskreis aus Druck und Selbstkritik.
Der Stress, der aus diesem Streben entsteht, kann überwältigend sein. Wir setzen uns unter einen ständigen Druck, der oft schwer zu bewältigen ist. Dieser Druck kann nicht nur zu körperlichem und emotionalem Stress führen, sondern auch unser Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Wenn wir das Gefühl haben, nie genug zu sein, wird es schwierig, uns selbst als wertvoll anzusehen.
Es wird Zeit, diesen Kreislauf zu durchbrechen und das "Soll-Ich" neu zu überdenken. Gemeinsam können wir tiefer in die Dynamik von Stress und Selbstwert eintauchen, um Wege zu finden, wie wir realistischere Erwartungen setzen und gleichzeitig unsere innere Stärke fördern können.
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