Wut loswerden oder Wut rauslassen?! Wie du mit deiner Aggression umgehen kannst
Der Umgang mit Wut ist gar nicht so einfach...hast du schon mal diese brodelnde Kraft in dir gespürt, wenn du so richtig auf "Einhundertachtzig" bist?
Diese Energie, die dich antreibt, für dich einzustehen und deine Bedürfnisse zu verteidigen? Weil man sich eben nicht alles gefallen lassen kann?
Genau dann kommst Du in Kontakt mit einer Kraft in Dir, die aus der Aggression gespeist wird.
Viele haben Angst vor dieser Kraft, weil es ihnen ungenehm ist oder etwas ist, was außer Kontrolle geraten könnte.
Und man sich in Situationen wiederfindet, die nicht so toll sind… wie Streit, das ungebremste Ausagieren von Kraft oder der Verlust des teuren Geschirrs, das an die Wand geflogen ist…
Deshalb ist es wichtig, einen gesunden Umgang mit ihr zu finden. Aber wie? Sie einfach rauslassen und hoffen, dass alles heil bleibt? Oder sie unterdrücken? Das wäre sehr schade, denn damit verschenkst Du eine sehr wichtige Kraft in Dir.
Vielleicht denkst Du Dir, was soll an Wut schon gut sein? Und warum sollte ein Nachteil entstehen, wenn ich sie nicht nutze?
Okay, dann lass uns gemeinsam in die aufregende Welt der Wut eintauchen und die nützliche Seite entdecken. Und natürlich, wie wir sie in den Griff bekommen können, ohne später die Scherben aufkehren zu müssen.
Aggression: Der unerschrockene Held in uns
Aggression - klingt das für Dich böse oder bedrohlich?
Vielleicht kann ich Dir eine neue Sichtweise anbieten: Der Begriff Aggression kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "an eine Sache heran gehen" oder "etwas in Angriff nehmen".
Und wir müssen die Aggression nicht zwangsläufig nutzen, um Schaden anzurichten: Sie ist wichtig, sie gibt uns die Kraft, uns zu verteidigen und unsere Bedürfnisse durchzusetzen.
Denk nur mal daran, wie du mit einem kräftigen "Nein!" auf eine unfaire Situation reagierst oder wenn du mutig deine Meinung vertrittst. Das alles verdanken wir unserer Aggression, die uns den nötigen Antrieb und Durchsetzungs- und Willenskraft verleiht.
Und ja, wird sie zu heftig ausgelebt, kann sie sehr destruktiv wirken. Vielleicht fragst Du Dich, wie es dazu kommen kann. Dafür gibt es nämlich verständliche Gründe.
Wut als Ausdruck von Bedürfnissen und Grenzen
Wut entsteht oft dann, wenn wir das Gefühl haben, nicht gehört oder gesehen zu werden. Vielleicht hast du schon belastende Situationen erlebt, in denen deine Stimme nicht ernst genommen wurde oder deine Bedürfnisse nicht respektiert wurden. Solche Erfahrungen können prägend sein und dazu führen, dass sich Wut in dir aufstaut. Das ist völlig normal und verständlich.
Bevor das Fass überläuft, könntest Du die Wut als eine Art Signal sehen, dass etwas in deinem Leben nicht stimmt und dass du handeln musst.
Die beiden Extreme: Abgespaltene Wut und unkontrollierte Impulse
Es gibt eine große Bandbreite, wie der Bereich der Wut ausgelebt werden kann.
Es gibt Menschen, die ihre Wut komplett abgespalten haben und Schwierigkeiten haben, Grenzen zu setzen und sich durchzusetzen. Sie neigen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen und sich eher zurückzuziehen, als sich zu behaupten. Ein NEIN macht ihnen schon richtig Stress.
Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die ihre Wut ungebremst ausleben und sich im zwischenmenschlichen Bereich oft anecken. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Aggression zu kontrollieren und reagieren impulsiv, was zu Konflikten und sozialen Nachteilen führen kann. Ein gesunder Umgang mit Wut liegt, wie so oft, in der Mitte dieser beiden Extreme.
Hier findest Du bald einen vertiefenden Artikel: 5 fatale Missverständnisse über die WUT
Den Umgang mit Wut lernen
Es ist wichtig zu verstehen, dass das Ziel nicht darin besteht, die Wut vollständig loszuwerden oder sie einfach ungebremst rauszulassen, sondern sie in gesunde Bahnen zu lenken und angemessen auszudrücken. Hier sind 5 Schritte, die dir dabei helfen können:
1. Selbstreflexion
Der erste Schritt besteht darin, dir bewusst zu werden, welche Auslöser und Situationen dazu führen, dass sich Wut in dir entwickelt. Das kann z.B. daran liegen, dass du in der Vergangenheit oft nicht gehört oder gesehen wurdest, oder in denen du mit wütenden Menschen konfrontiert warst, die keine Verantwortung für ihre eigene Wut übernommen haben.
Indem du deine eigenen Muster und Reaktionen verstehst, kannst du anfangen, deine Wut besser zu verstehen. Die Aufarbeitung solcher prägenden Erfahrungen kann helfen, deine Bedürfnisse und Grenzen klarer zu erkennen und selbstbewusst für sie einzustehen. Außerdem kannst Du Dich fragen, wo Du Dich auf der “Bandbreite des Wut-Auslebens” befindet: Bist Du eher der “ungebremste” oder eher der Wut vermeidende Typ? Welche Nachteile hast Du dadurch? Welche Vorteile gehen Dir durch die Lappen? Wie könntest Du Dich der goldenen Mitte dieser beiden Extreme etwas mehr annähern?
2. Achtsamkeit
Achtsamkeit ist ein wichtiges Werkzeug, um deine Wut in den Griff zu bekommen. Indem du lernst, deine Emotionen bewusst wahrzunehmen und zu akzeptieren, kannst du sie besser regulieren.
Nimm Dir regelmäßig Zeit, um Dich auf Dich selbst zu fokussieren und Deine Gefühle wahrzunehmen. Wann genau springt dieses Verhalten in Dir an? Was möchtest Du dann am liebsten tun? Willst du das weiterhin so machen? Wie fühlst Du Dich damit? Was fehlt Dir in diesem Moment?
3. Selbstregulation
Lerne Techniken, um deine Emotionen besser zu regulieren. Dies können Atemübungen, Meditationen, körperliche Aktivität oder das Ausdrücken von Emotionen in einem Tagebuch beinhalten. In meiner Praxis für Psychotherapie ist es ein zentraler Bestandteil, kurze Übungen zu trainieren, die Dir helfen, souverän auf Aufreger zu reagieren.
Finde heraus, was für dich am besten funktioniert, um deine Wut in gesunde Bahnen zu lenken: das heißt ganz konkret: sie wahrnehmen zu können, ihr Raum zu geben und eine Pause zu kreieren zwischen dem Reiz und Deiner Reaktion.
Dann hast Du einen Moment Zeit, um ein angemessenes Verhalten zu wählen. ANGEMESSEN kann bedeuten, auch mal lauter zu werden. Aber eben auf Art, die weder Dir noch dem Anderen schadet. Es soll nicht darum gehen, persönliche Missstände "einfach besser hinnehmen zu können" oder besser "auszuhalten".
4. Kommunikation
Kommunikation ist das A und O.
Anstatt also deine Wut zu unterdrücken, kannst du lernen, dich respektvoll und klar auszudrücken. Eine gesunde Prise Aggression ist nämlich wichtig, um deine Bedürfnisse durchzusetzen und dir zu holen, was Dir zusteht. Außerdem stärkst Du Deine Durchsetzungs- und Willenskraft in Dir.
Nutze "Ich"-Botschaften, um deine Bedürfnisse deutlich zu machen. Teile anderen mit, wie du dich fühlst und was du brauchst – auch wenn du wütend bist. Offene und ehrliche Kommunikation beugt Missverständnissen vor und ist der goldene Schlüssel, um Konflikte zu überwinden.
Es ist jedoch wichtig, dass du während der Kommunikation respektvoll bleibst. Die Wut kann dazu führen, dass wir impulsiv reagieren und unsere Worte verletzend sein können. Nimm dir einen Moment, um deine Gedanken zu sammeln, bevor du reagierst. Versuche, deine Worte bewusst zu wählen und deine Botschaft klar und sachlich zu vermitteln. Auf diese Weise kannst du gehört werden, ohne andere zu verletzen, und deine Wut wird Dir helfen, Dich für Dich und Deine Bedürfnisse einzusetzen.
PS: Wenn sich das Äußern von Bedürfnissen oder klaren Grenzen schwierig ist, ist der nächste Schritt das Bindungssystem zu versorgen. Das springt meistens an, wenn ein Bindungsabbruch befürchtet wird und verhindert, sich zu behaupten. Also mach Dir keine Sorgen, auch dann gibt es eine Lösung.
Vertiefender Artikel dazu ist geplant: “Hilfe, ich kann mich nicht durchsetzen?!”
5. Aufarbeitung belastender Erfahrungen
Wenn du prägende Erfahrungen gemacht hast, in denen du nicht gehört oder gesehen wurdest oder in denen du mit wütenden Menschen konfrontiert warst, kann es hilfreich sein, diese Situationen aufzuarbeiten. Suche dir professionelle Unterstützung, um diese Erfahrungen zu verarbeiten und die damit verbundene Wut loszulassen. Eine Therapie oder Beratung kann dir dabei helfen, deine Vergangenheit zu verstehen und neue Wege zu finden, wie du mit solchen Situationen umgehen kannst. Ich rate zu einer traumasensiblen Begleitung.
6. Selbstfürsorge und Grenzen setzen
Um deine Wut besser zu kontrollieren, ist es wichtig, auf dich selbst zu achten und deine Grenzen zu kommunizieren und NEIN sagen zu lernen. Das kann man lernen. Vielleicht magst Du Dir ein paar Sätze im Vorfeld überlegen, die Du einübst. So geht es in der "stressigen Situation" mit einem Gegenüber viel leichter von den Lippen.
Nimm Dir regelmäßig Zeit für dich selbst, um Dich zu entspannen und wieder aufzutanken. Achte auf Deine körperliche und seelische Gesundheit. Genug Schlaf, Sonnenlicht und eine gute Ernährung helfen, in einer guten körperlichen Balance zu sein. Dann kannst Du automatisch Schwierigkeiten und Frustrationen besser tolerieren und landest nicht ständig im Alarmzustand.
Fazit
Wut ist eine natürliche Emotion, die uns dabei hilft, unsere Bedürfnisse zu erkennen und sie einzufordern. Im Umgang mit Wut geht es nicht darum, sie vollständig loszuwerden, sondern sie konstruktiv zu nutzen und auszudrücken. Durch Selbstreflexion, Achtsamkeit, Kommunikation, das Aufarbeiten belastender Erfahrungen, Selbstfürsorge und dem Setzen von gesunden Grenzen kannst du lernen, deine Wut gesund zu kanalisieren.
Mein Angebot für Dich
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Gemeinsam können wir Wege finden, wie du deine Wut konstruktiv nutzen und ein erfüllteres Leben führen kannst.